Offener Brief an die Initiative Respekt und Schutz für Sexarbeiter*innen

uf pinkem Hintergrund steht in schwarzer Schrift: Offener Brief an die Initiative "Respekt und Schutz für Sexarbeiter*innen". Unterstützung für Ruby Rebelde - Jetzt!

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Offener Brief

Open Letter

Sehr geehrte Mitgliedsorganisation der Initiative „Respekt und Schutz für
Sexarbeiter*innen“,

wie Ihnen bekannt ist, fand am 12.05.2023 ein Fachtag der Initiative statt, der Sie
angehören.
In diesem Kontext war die Sexarbeiter*in und Aktivist*in Ruby Rebelde als Expert*in
geladen, einen Vortrag zum Thema „6 Jahre ProstSchG, Sexarbeitsfeindlichkeit und
Antifeminismus“ zu halten. Im Rahmen dieses Vortrages zeigte Ruby Rebelde
strukturelle Zusammenhänge in der Erzählung von Sexarbeitsgegner*innen auf, die
von einer „Prostitutionslobby“ sprechen und enttarnte diese Narrative als
antisemitische Verschwörungserzählungen. Ruby Rebelde bezog sich dabei auf
wissenschaftlich fundierte Forschungsergebnisse.

Der „Prostitutionslobby“ werden neben Sexarbeits-Aktivist*innen auch
Fachberatungsstellen wie Hydra oder Mitglieder des BufaS e.V. zugeordnet, die seit
Jahrzehnten professionelle Beratung und Soziale Arbeit für Menschen in der Sexarbeit
anbieten.
Die auf Ihrem Fachtag anwesende Organisation Sisters e.V. und weitere
Gruppierungen, die sich dieses Lobbyarguments immer wieder bedienen und ein
Sexkaufverbot für Deutschland fordern, nahmen den Vortrag von Ruby Rebelde zum
Anlass, rechtliche Schritte gegen die Sexarbeiter*in einzuleiten – konkret in Form einer
strafbewehrten Unterlassungsaufforderung mit Androhung einer Verleumdungsklage
wegen Rufschädigung und Diffamierung.

Im Sinne einer Täter-Opfer-Umkehr haben Sisters e.V. mit der Klage jetzt auf dem
Rechtsweg wiederholt, was diese Organisationen seit Jahren mit Aktivist*innen und
Fachberatungsstellen aus dem Bereich Sexarbeit machen: sie versuchen
Sexarbeitsaktivist*innen mundtot zu machen.
Expert*innen in Fachberatungsstellen und selbstorganisierte Sexarbeitskollektive und
-kooperativen fordern bessere Arbeitsbedingungen, bessere Migrationsrechte und den
Abbau von Diskriminierung. Dies tun sie vor dem Hintergrund eines respektvollen
Umgangs mit Gemeinsamkeiten und Differenzen im Bereich der Sexarbeit. Hier von
einer Verschwörung „zu Gunsten der Prostitution“ zu sprechen, ist absurd.
Das Landgericht Berlin hat Ruby Rebelde am 13.07.23 nun in erster Instanz durch eine
Richterin dazu verurteilt, bestimmte Aussagen über den Verein Sisters zu unterlassen.
Dies ist eine fatale Entscheidung, da es den Trend fortsetzt mit Zivilklagen gegen
Aktivist*innen (meist Privatpersonen) vorzugehen und diese zum Schweigen zu
bringen. Es handelt sich hier um eine strategische Prozessführung gegen die
Meinungsfreiheit.

Umso wichtiger ist es daher, dass Organisationen und Verbände sich öffentlich hinter
Ruby Rebelde stellen, sich solidarisieren und konkret unterstützen. Wir als
Fachberatungsstellen für Menschen in der Sexarbeit sehen es als außerordentlich
problematisch an, dass Sie sich als mitverantwortliche Organisation dieses Fachtages
noch nicht öffentlich zu den Geschehnissen geäußert haben.
Wir möchten Sie dringend dazu auffordern, dies baldmöglichst nachzuholen, damit
Ihre Mitgliedsorganisationen – die sich für die Rechte und gegen die Diskriminierung
von Sexarbeitenden einsetzen – Ihrem Anspruche nachkommen und
Sexarbeitende tatsächlich schützen.

Ruby Rebelde sind als Folge des Urteils monetäre Einbußen entstanden, da bereits
erteilte Aufträge wieder abgesagt wurden. Hinzu kommen Anwaltskosten. Daher
fordern wir Sie als mitverantwortliche Organisation dazu auf, Ruby Rebelde dabei zu
unterstützen, die entstandenen Nachteile auszugleichen.
Neben einem öffentlichen Statement wäre somit zu erwarten, den Spendenaufruf von
Ruby Rebelde zu teilen und zu supporten.
Darüber hinaus ist es unerlässlich, für zukünftige Veranstaltungen ein Schutzkonzept
zu erarbeiten, um Sexarbeiter*innen vor Anti-Sexarbeits-Gruppen und solchen
Zivilklagen zu schützen.
Nicht zuletzt fordern wir eine öffentliche Abgrenzung der Diakonie Deutschland, den
regionalen Diakonien, sowie Diakonischen Werken gegen sexarbeitsfeindliche
Positionen und Organisationen in den eigenen Reihen. Die Profession Soziale Arbeit
unterliegt nicht-verhandelbaren Grundprinzipien[1], ohne die eine ethische und
professionelle soziale Arbeit nicht stattfinden kann. Hierzu zählen neben einer
akzeptierenden Grundhaltung, Parteilichkeit und Ergebnisoffenheit des
Beratungsprozesses auch, Diskriminierung entgegenzuwirken und Stigmatisierung
und soziale Ungleichheiten zu verhindern. Fachberatungsstellen, welche die
Kriminalisierung von Kund*innen, Kooperationspartner*innen und/oder
Sexarbeitenden verlangen, stellen sich explizit gegen die Grundprinzipien der Sozialen
Arbeit.
Es ist davon auszugehen, dass die Zugrundelegung dieser Grundprinzipien auch zur
Namensgebung Ihrer Initiative geführt hat. Wir möchten Sie also dringend auffordern
den Slogan „Respekt und Schutz für Sexarbeiter*innen“ ernst zu nehmen und
Verantwortung für die negativen Konsequenzen zu übernehmen, die einer
Sexarbeiter*in durch die von Ihnen initiierte Veranstaltung entstanden sind.

Hier die Beiträge von Ruby Rebelde zu den Ereignissen und zur Rolle der „Initiative
Respekt und Schutz für Sexarbeiter*innen“:

Mit freundlichen Grüßen

[1] Siehe International Federation of Social Workers (https://www.ifsw.org/global-social-work-statement-ofethical-principles/) und Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit e.V. (https://www.dbsh.de/media/dbshwww/redaktionell/pdf/Sozialpolitik/DBSH-Berufsethik-2015-02-