Purity Culture, Sexarbeit und Mission?

Purity Culture, Sexarbeit und Mission?
Der Einfluss freikirchlicher und evangelikaler Projekte auf Wohlfahrtsverbände und Kirchen

Eine Chronik der bisherigen Ereignisse ist in Teil 1: Weder Schutz noch Respekt. Die „Initiative Schutz und Respekt für Sexarbeiter*innen“

Dieser Text ist schon seit Wochen fertig. Zur Veröffentlichung konnte ich mich trotzdem lange nicht durchringen. Dafür ist Furcht ein Grund. Ja, ich stelle fest: Gewalt und Ablehnung fordern ihren Preis. Verunsichert frage ich mich, wer sich noch durch die Schmähkampagne gegen mich zu rechtlichen Schritten ermuntert fühlen könnte? Das ist bitter – für mich persönlich – und es verhindert eine dringend nötige konstruktive Debatte.
Meine Überlegungen kreisen also um die Frage: Wie könnte eine inhaltliche Auseinandersetzung gelingen?
Vielleicht ist deswegen der Tonfall dieses Texts zurückhaltender geraten, als ich es persönlich empfinde. Das ist kein Einknicken, sondern ein konstruktiver Versuch zu einer überfälligen Diskussion einzuladen, der sich Einige noch nicht stellen.

Im zweiten Teil der Bilanz geht es um freikirchliche und evangelikale Projekte im Feld Prostitution und Sexarbeit und deren Einfluss auf eine sexarbeitsfeindliche Debatte. Dazu gehört auch die Frage, in welcher Hinsicht solche Projekte anschlussfähig in Wohlfahrtsverbänden sind?

Welche Fragen werfen freikirchliche und evangelikale Projekte zum Thema Prostitution auf?

Dieser Artikel fußt auf Belegen und Recherche.
Ich befürchte aber weitere Repressionen. Eine SLAPP-Klage soll mich bereits mundtot machen. Deswegen verzichte ich aus Selbstschutz auf namentliche Nennungen der Projekte, sowie auf die exakten Verflechtungen in die entsprechenden Wohlfahrtsverbände um Fingerpointing zu vermeiden.
Zur Erinnerung: Ich bin eine Einzelperson. Kein Bündnis oder Verband deckt meine Kosten oder verteidigt mich gegen Angriffe, es gibt aber Menschen, die mich unterstützen.

Also spreche ich verallgemeinernd von „evangelikalen und freikirchlichen Projekten“ die Rede, deren Träger in der kirchennahen Wohlfahrt, wie Diakonie und Caritas angesiedelt sind.
Freikirchliche und evangelikale Projekte etablieren sich aber nicht nur in der kirchennahen Wohlfahrt. Auch der „Paritätische“ hat kürzlich ein solches Projekt in Berlin aufgenommen.

Mit freikirchlichen, evangelikalen Projekten meine ich in diesem Text Gemeinschaften, die durch eine sehr strenge Sexualethik, ausgeprägte Hierarchie und erhebliches Sendungsbewusstsein geprägt sind. Es gibt aber auch liberale Freikirchen, oder solche, die sich im Wandel befinden.

Dieser Text wirbt nicht für eine pauschale Verurteilung aller Mitglieder freikirchlicher, evangelikaler Gemeinschaften. Vielmehr sollte die antipluralistische und missionierende Herangehensweise solcher Projekte beunruhigen, gerade wenn es um sexuelle Selbstbestimmung und Vielfalt geht. Trotzdem sind dort sicher Freiwillige in guter Absicht im Einsatz. Nicht jeder ausgeteilte Kaffee, jedes Gespräch, das diese Projekte führen, muss komplett falsch oder schädlich sein. Besorgniserregend ist die Ausschließlichkeit und Vehemenz mit der solche Projekte ihre Sichtweise auf Prostitution[1] und Sexarbeit vertreten sowie ihr aggressives Vorgehen gegenüber Andersdenkenden.

Gesinnung: Antidemokratisch und keusch?

Tatsache ist: Viele dieser Projekte sind in sexarbeitsfeindlichen Bündnissen aktiv und beteiligen sich regelmäßig an Diffamierungen von Sexarbeitenden, Forschenden und akzeptierenden Beratungsstellen.
Einige dieser Projekte sind Mitglieder in Wohlfahrtverbänden. Die Verflechtung in evangelikale Netzwerken scheinen nicht in Konflikt zu den Prinzipien der Wohlfahrtverbände zu stehen. Mission Freedom, Alabaster Jar, Samaritans Purse, European Freedom Network (EFN) sind auf der Homepage oder den Instagram-Profilen dieser Projekte verlinkt. Das EFN gehört zur European Evangelical Alliance (EEA). Wofür stehen diese evangelikalen, freikirchlichen Allianzen und wieso sollte das beunruhigen?

Evangelikale Weltanschauungen werden von Religionswissenschaftler*innen und in der Extremismus- und Radikalisierungsforschung kritisch beobachtet und eingeordnet:
Die antidemokratischen Positionen innerhalb der christlichen Rechten – wie sie auch bei Evangelikalen zu finden sind – bezüglich Sexualität, sexueller Selbstbestimmung und Pädagogik sind bereits seit länger Gegenstand von Untersuchungen.[2]

Wie oftmals angenommen, treffen die Radikalisierungstendenzen evangelikaler Gruppen nicht nur auf die USA zu. Auch in Europa gewinnen evangelikale Strukturen an Anhänger*innen und Einfluss. Mit Gruppierungen wie „Christen-im-Widerstand“ zeigt sich eine belegbare Nähe zu „Corona-Protesten“. Darüber belegen Recherchen Antisemitismus, Verschwörungsglaube, Queer- und Transfeindlichkeit in Teilen dieser Strukturen.

2021 förderte das Bundesmodellprojekt „Umstieg aus der Prostitution“ eine freikirchliche evangelikal orientierte Anlaufstelle für Sexarbeitende und unterstützte spezifisch die Errichtung einer „Ausstiegswohnung“ für Sexarbeitende. Diese Förderung erfolgte an der regulären Ausschreibung vorbei. Während andere Bewerber*innen einen Auswahlprozess durchliefen, wurde dieses Projekt zusätzlich ernannt.

Es gibt bisher flächendeckend zu wenig Notunterkünfte für Sexarbeiter*innen. Viele reguläre Notunterkünfte nehmen sexarbeitende Hilfesuchende nicht auf.
Während ich also grundsätzlich begrüße, dass Notunterkünfte gefördert werden, besorgt mich in diesem Fall die freikirchliche, evangelikale Agenda der Anlaufstelle. Diese Agenda veranlasst mich zu der Frage: Könnten dort beratende Personen aufgrund ihrer bestehenden moralischen Überzeugungen Klient*innen beeinflussen und dadurch eine ergebnisoffene Betreuung verhindern?

Viele freikirchliche und evangelikale Gemeinschaften haben rigide Moralvorstellungen zu Sexualität und sexueller Selbstbestimmung. Wie vertragen sich restriktive Sexualethik, ein hoher Stellenwert der Jungfräulichkeit, Kleiderordnungen und die Stigmatisierung von Lust mit Sexarbeit und Prostitution? Ganz zu schweigen: Wie werden dort queere und trans Sexarbeiter*innen behandelt?

Der Verein „Fundamental Frei e.V.“ sammelt Berichte von Aussteiger*innen aus evangelikalen und freikirchlichen Gemeinschaften[3]. Die Einträge auf ihrer Homepage zu „Intimität“ lassen mich stark bezweifeln, dass Sexarbeiter*innen in evangelikalen, freikirchlichen Projekten mit ergebnisoffener Beratung und Unterstützung rechnen können.

Die Wohlfahrt grenzt sich bislang nicht von diesen evangelikalen, freikirchlichen Projekten ab.

Einer ähnlichen Frage geht die Sekteninfo Berlin in ihrem Jahresbericht 2021 im Kapitel „Evangelikale / Pfingstler, christlicher Fundamentalismus“ nach – allerdings ohne expliziten Bezug zu Sexarbeit:

Weitere Konflikte, die von Beratungsanfragenden (Anm d. Autor*in: der Sekteninfo Berlin) benannt und hier erwähnt werden sollen, sind die Unterbringung von drogenabhängigen Menschen oder auch psychischen kranken Menschen in Einrichtungen mit christlich evangelikaler Ausrichtung. Entweder konnten sich die Untergebrachten nicht mit den vermittelten christlichen Inhalten in der Therapie identifizieren oder fühlten sich zu Teilnahme an bestimmten Veranstaltungen (Gottesdiensten, Gebeten etc.) genötigt und dort bevormundet. Angehörige psychisch Kranker wiederum sorgten sich, dass eine geistige Beeinflussung und Vereinnahmung in Einrichtungen stattfinden könnte, die auf der Basis einer christlich evangelikalen Lehre ihr Angebot machten.

(Jahresbericht Sekteninfo Berlin 2021,
https://www.berlin.de/sen/jugend/familie-und-kinder/sekteninfo-berlin/#headline_1_5)

Sozialarbeiter*innen mit jahrzehntelanger Berufserfahrung bemängeln darüber hinaus, dass freikirchliche und evangelikale Projekte Klient*innen in einem geschlossenen System mit gleicher Gesinnung weiterverweisen.
Eine sexarbeitsfeindliche Einstellung geht nicht immer mit einer freikirchlich, evangelikalen Einstellung einher. Es gibt auch Strömungen, die sich selbst als progressiv einschätzen und sich dennoch gegen Sexarbeit aussprechen. Professor*innen mit deutlich sexarbeitsfeindlichen Einstellungen lehren sexarbeitsfeindliche Inhalte und veröffentlichen sexarbeitsfeindliche Bücher. Als Meinungsäußerung ist dies bedauerlich, jedoch legitim. Der Knackpunkt liegt dort, wo sie ihre Meinung zur alleinigen Norm erheben und sich keiner konstruktiven Auseinandersetzung stellen.
Die Anzahl evangelikaler, freikirchlicher Projekte stieg in den letzten Jahren zu. In Baden-Württemberg und Bayern etablierten sich Projekte mit sexarbeitsfeindlicher Ausrichtung in freikirchlich-evangelikalen Netzwerken.
Die Brückenideologie Sexarbeitsfeindlichkeit bietet auch antimodernen, gegen die sexuelle Vielfalt und Selbstbestimmung gerichtete Stimmen einen Platz hinter der Forderung nach der Einführung eines „Sexkaufverbots“.

Wer könnte bei der Zurückweisung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Purity Culture unterstützen?

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche & Rechtsextremismus (BAG K+R) berät „kirchliche Akteur*innen zum Umgang mit Rechtsextremismus, Rechtpopulismus und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“. Die Arbeitsgemeinschaft bearbeitet bislang das Thema Sexarbeitsfeindlichkeit nicht, wie ein Blick auf ihre Publikationen zeigt. Die BAG K+R gehört dem Kompetenznetzwerk Rechtsextremismusprävention an und bietet eine Weiterbildung zum Thema Rechtsextremismus an. Ich zitiere aus dem Selbstverständnis der BAG K+R:

Wir sind der Überzeugung, dass die Menschenverachtung extrem rechter, rassistischer und antisemitischer Ideologien mit dem christlichen Bekenntnis unvereinbar ist. Dieses Bekenntnis schließt die Behauptung biologisch oder ideologisch konstruierter Ungleichwer­tigkeit von Menschen oder Gruppen aus. Wo immer Christ*innen solche Einstellungen verbreiten oder sie unwidersprochen stehen lassen, handeln sie gegen Gottes Gebote.

Wie überfällig eine kritische Einordnung der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit gegenüber Personen in der Sexarbeit wäre, zeigt die Mobilisierung des Bündnis Nordisches Modell inklusive seiner freikirchlich-evangelikalen Projekte auf dem evangelischen Kirchentag 2023 in Nürnberg. Wollen Wohlfahrtsverbände und Kirchentage dem wirlich eine Plattform bieten?

Wieso ist die Präsenz evangelikaler, freikirchlicher Projekte gerade beim Thema Sexarbeit und Prostitution problematisch?

Kürzlich wurde aus den Reihen CDU/CSU ein „Sexkaufverbot“[4] gefordert. Die Rufe nach noch schärferen Gesetzen für Sexarbeitende sind seitdem wieder lauter geworden. Während sich ein umfassender gesellschaftlicher Rechtsruck vollzieht, sind sexarbeitsfeindlicher Bündnisse, auch mit freikirchlicher, evangelikaler Beteiligung präsenter denn je.

Diskussionen solcher Vorstöße finden in medialer Berichterstattung oder in politischen Entscheidungsräumen statt. Sexarbeitende sind dort selten eingebunden sind und wenn doch bringen sie sich in Gefahr, Ziel von Hass und Gewalt zu werden.
Journalist*innen führen Projekte mit religiös-fürsorglichem Anstrich gern als ihre Quelle und „Expert*innen“ zum Thema Sexarbeit und Prostitution an. Auch die Politik hört auf sie, weil sie aus der sozialarbeiterischen „Praxis“ kommen. Wenn sich Medien und Politik dieser evangelikalen Stimmen bedienen, dann muss zukünftig auch ihre sexualitäts- und sexarbeitsfeindliche Grundhaltung offen benannt werden. Zurzeit wird in vielen politischen und öffentlichen Auseinandersetzungen zur Sexarbeit eine moralische Panikmache gegen Sexarbeit, Sexarbeiter*innen und Kund*innen erzeugt: Darin werden Bedrohungsszenarien und Verurteilungen aufgemacht und geschürt, statt lösungsorientierter Antworten auf komplexe Fragen der Sexarbeit zu geben. Sexarbeit wird als Bedrohung für die Gesellschaft ausgemacht und nicht als Ausdruck komplexer Faktoren, wie illegalisierter Migration, Ausbeutung und Armut. Das greift zu kurz!

Kontext: Wohlfahrt und Fürsorge

Anm. der Autor*in: Meine Beobachtungen möchte ich mit den angesprochenen Einrichtungen der Wohlfahrt besprechen und habe ihnen deswegen diesen Text vorab zukommen lassen.

Während die Positionierung freikirchlicher und evangelikaler Projekte bereits eindeutig ist, beobachte ich bei einigen Trägern der kirchennahen Wohlfahrt eine unentschlossene, zögerliche Haltung gegenüber der Sexarbeit. Ähnliche Untätigkeit und Zögern finden sich seitens der Wohlfahrtsverbände auch zur Frage der Rechte und Gleichberechtigung behinderter Menschen.[5] Im Kontext Sexarbeit tragen schwammige Positionen dazu bei, dass menschenfeindliche Positionen unwidersprochen bleiben. Das gelingt, weil sie sexualethische Themenfelder und Grauzonen berühren, zu denen bislang zu wenig gearbeitet wurde.

Gegen drohende Verschärfungen von Gesetzen zu Prostitution in Deutschland leisten Sexarbeitende Widerstand. Was auch sonst? Ich frage das mittlerweile ernsthaft verzweifelt angesichts der beängstigenden Entwicklungen der letzten Wochen. Ich erlebe eine Erwartungshaltung in Politik und Zivilgesellschaft an Sexarbeitende sich leise und bescheiden zu Wort zu melden. Diese Erwartung ist absurd.
Auch andere von Diskriminierung getroffene Gruppen fordern mehr Beteiligung, Wertschätzung und Augenhöhe. Sie tun das, weil sie oft mit verkrusteten Strukturen konfrontiert sind. Ihnen zuzuhören ist wichtig.

Verantwortliche Referent*innen, Bereichsleitungen, Vorstandsmitglieder wollen scheinbar ihre Verantwortung nicht reflektieren, denn sie schweigen entweder zur Kritik Getroffener oder kritisieren im Sinne eines „Tonepolicing“ Tonfall und Form. So bleibt eine gläserne Decke zwischen Getroffenen von Diskriminierung (Sexarbeitenden, Behinderten u.a.), deren Selbstorganisationen und den Wohlfahrtsverbänden intakt. Diese gläserne Decke fühlt sich an wie undurchdringliches Panzerglas.
Meine These ist: Das fortgeschrittene und laute Vordringen freikirchlicher und evangelikaler Projekte beim Thema Sexarbeit und Prostitution auch in Wohlfahrtsverbände kommt nicht überraschend. Es kann an internalisierte Sexarbeitsfeindlichkeit und mangelnde Beschäftigung mit sexualethischen Fragen in den eigenen Reihen anknüpfen.

Ich fordere, dass Wohlfahrtsverbände ihren Umgang mit evangelikalen, freikirchlichen Projekten auf Fundamentalismus und restriktive Sexualethik überprüfen.

Hintergrund: Der Umgang kirchlicher Wohlfahrt mit Promiskuität und „Asozialität“

Damit ein Reflektionsprozess gelingen kann, schlage ich eine Auseinandersetzung mit der Stigmatisierung von Promiskuität (sexuelle Freizügigkeit) und der Zuschreibung „asozial“ vor. Es müsste darüber hinaus angemessen und umfangreich an die Verfolgung von Sexarbeiter*innen im Nationalsozialismus erinnert werden. Dies umfasst auch eine kritische Betrachtung der Rolle der sogenannten kirchlichen Wohlfahrt und Fürsorge.

Sexarbeitende wurden im Nationalsozialismus als „Asoziale“ verfolgt. Diese Verfolgung von „Asozialen“ und/oder Sexarbeiter*innen wurde bisher kaum erforscht. Ebenso wenig aufgearbeitet ist die Geschichte der Gewalt gegen Sexarbeitende und/oder als „asozial“ Verfolgten auf Stationen für Geschlechtskrankheiten[6] oder die Verdrängungspolitiken durch Verbotszonen und Sperrbezirke nach 1945. Manche dieser Aspekte fanden in Verzahnung und Duldung durch Wohlfahrtsverbände und Träger statt. Häufig wurde diese Ausgrenzung mit Sexualethik begründet. Während auf anderen Feldern langsam umgedacht wird, scheinen Ressentiments beim Thema Sexarbeit weiterhin tief zu sitzen.

Das Motto „Nichts über uns – ohne uns“ sollte auch dort Gehör finden, wo im Glauben es „gut und richtig mit Sexarbeitenden zu meinen“ gehandelt wird.

In eigener Sache

Die Angriffe auf mich und meine Arbeit tragen fanatische Züge. In einer umfassenden Schuldumkehr attackieren mich derzeit Kräfte, die seit mehr als zehn zehn Jahren Beratungsstellen, Forschende und Sexarbeitende heftig angreifen. Diese Strömungen waren für einen sachlichen und lösungsorientierten Diskurs bisher unerreichbar. Das alles lässt an sektenartige, fundamentalistische Strukturen denken, die ein „böses Prinzip“ bekämpfen. Wer die Rechte von Sexarbeiter*innen und Prostituierten wirklich achtet, stellt sich mit Argumenten einer inhaltlichen Auseinandersetzung und beteiligt sich nicht an einer modernen Hexenjagd auf Andersdenkende.

Forderungen an Wohlfahrtsverbände

  1. Klärung des Verhältnisses zu freikirchlichen, evangelikalen Projekten vor dem Hintergrund von Demokratie & Pluralismus.
  2. Kein Fundamentalismus in Projekten zu Sexarbeit.
  3. Umfassende Sensibilisierungsmaßnahmen in Bezug auf sexuelle Selbstbestimmung, Sexarbeit und Inklusion in den Wohlfahrtsverbänden.
  4. Sicherheitskonzepte zum Schutz von Sexarbeiter*innen und Unterstützungsfonds für Betroffene sexarbeitsfeindlicher Gewalt.
  5. Aufarbeitung der historischen Verfolgung von „Asozialen“ und Sexarbeiter*innen unter Berücksichtigung der Rolle von Wohlfahrt und Fürsorge in Bezug auf Sexualethik.

[1] Ich persönlich präferiere die Bezeichnung Sexarbeit. Aber nicht alle Kolleg*innen identifizieren sich mit diesem Begriff, deswegen habe ich mich zu einer Doppelnennung entschlossen.

[2] Vgl. z.B. Gert Pickel, Annika Brockschmidt.

[3] Fundamental frei „Wege aus und Perspektiven nach evangelikalem oder freikirchlichem Fundamentalismus“ e.V. https://fundamental-frei.org/

[4] Mit „Sexkaufverbot“ ist die Kriminalisierung der Nachfrage gemeint, also der Kund*innen von Sexarbeitenden.

[5] Ich nutze hier meine präferierte Selbstbezeichnung und möchte betonen, dass es andere, valide Selbstbezeichnungen gibt. Inhaltlich schließe ich mich der Kritik von Raúl Krauthausen an, der Wohlfahrt und Fürsorge für Ableismus scharf kritisiert. Z.B.: https://raul.de/unfassbares/die-luegen-der-wohlfahrtsverbaende/

[6] In Ostdeutschland als „Tripperburgen“ bekannt.