Radikalisierter Konservatismus

Schämt Euch, CDU und CSU!

Am 09.02.2021 hat die Bundestagsfraktion  der CDU/CSU das Positionspapier
„Prostituierte schützen – Zwangsprostitution bekämpfen – Ausstiegsangebote stärken“ vorgelegt.

CDU/CDU wollen Sexarbeitende in Deutschland noch mehr Polizeigewalt, staatlicher Repression und Stigma aussetzen. Deswegen erhielt das Paper großen Beifall aus den konservativen Medien sowie aus dem Lager der sexarbeitsverachtenden Mainstreamfeminist*innen (SWERFs).

Der Angriff auf Sexarbeitende, Migrantisierte und auf Kund*innen sexueller Dienstleistungen ist ebenso umfassend wie vielschichtig. Während manche noch beklatschen, dass die Drohgebärde von End-of-demand abgewendet scheint, schleicht sich eine konkrete Verschärfung des ProstituiertenSchutzGesetz (ProstSchG) an.
Allzu klar, dass das kommen musste: Sylvia Pantel, die seit Jahren mit dem Thema Sexarbeit befasst ist, spricht bereits von einem „Deutschen Modell“ der  Prostitutionspolitik.

Übrigens fragen  Politiker*innen ab und zu bei Hydra e.V in Berlin an, um Gespräche über z.B. ein Sexkaufverbot zu führen. Wenn solche Papiere das Ergebnis sind, dann missbrauchen sie Sexarbeitende und deren Verbündete als Token. Im Klartext: Sexarbeitende werden nur gehört, um im Anschluss sagen zu können: ‚Wir haben mit Betroffenen gesprochen‘. Es geht nicht darum  Rat einzuholen oder das überhebliche, realitätsfremde Top-Down der Politik zu beenden und endlich Partizipation an die Stelle der Bevormundung zu setzen. Von solcher Augenhöhe ist und war die CDU/CSU stets Lichtjahre entfernt.

Paternalismus, Stereotype und Strafen

Der Text trieft vor Paternalismus, Stereotypen und Unterstellungen. Die CDU/CSU ist nicht in der Lage zwischen Sexarbeit und Menschenhandel zu unterscheiden. Diese Verschränkung aus Kriminalität und Prostitution prägt beinahe jeden Satz. Unter dem Deckmantel von Schutz bereiten sie erhebliche Angriffe auf Sexarbeitende vor:

  1. Die staatliche Kontrolle soll ausgebaut, das Policing verstärkt und die Registrierungskriterien für den verhassten Hurenausweis verschärft werden. Wie sollen sich Kontrollen durch die Polizei, die immer wieder Gewalt und Rassismus vorgehalten werden, denn nicht zum Nachteil der Sexarbeitenden auswirken? Was tun Sie, als CDU/CSU konkret gegen Diskriminierung, Rassismus und racial profiling in der Polizei?
  2. Sie fordern den Einstieg in die Sexarbeit erst ab einem Alter von 21, doch was konkret tun Sie gegen Armut und Ausbeutung, um zu verhindern, dass Jüngere als 21, sich gar nicht erst aus finanziellen Erwägungen für oder gegen die Sexarbeit entscheiden müssen?
  3. Sie fordern, dass eine Registrierung nach ProstSchG nur noch möglich sein soll, wenn die Person krankenversichert ist. Was tun Sie dafür, dass Menschen ohne Wohnsitz, Meldeadresse, Aufenthaltstitel oder Papiere Zugang zum Gesundheitssystem in Form einer (kostenlosen) Krankenversicherung erhalten?

Die Antwort auf diese Fragen lautet: NICHTS.

Sie sind aber nicht „bloß“ untätig sondern werten Sexarbeitende mit solchen Positionspapieren ab. Sie leisten Stigmatisierung Vorschub. Voreingenommenheit lässt sie über die Körper schwangerer Sexworker*innen bestimmen, an der Tauglichkeit Sexarbeitender zur Mutter zweifeln und von oben herab über die Menschenwürde Anderer urteilen, indem sie Verrichtungsboxen und Gang-Bang-Parties als unwürdig ablehnen.

Manche Verbände halten sich zu Gute, dass dies eine Art Tauschgeschäft wäre: Dafür, dass es End-of-demand (nicht) vom Tisch ist, könnte es sich vielleicht lohnen, neue Härten, neues Unrecht und neue strukturelle Gewalt zu erdulden? Es ist ein Irrglaube, dass eine Verschärfung des aktuellen ProstSchG der langfristigen Forderung Kund*innenkriminalisierung nach schwedischem Vorbild einen Riegel vorschiebt.
Im Gegenteil, all diese Verschärfungen dienen einzig und allein dazu, den Weg einer Kriminalisierung der Sexarbeit zu ebnen und einer Welt ohne Prostitution Vorschub zu leisten.

Das zeigt auch die Forderung, die Evaluation des ProstSchG ein Jahr vorzuziehen. Hier zeigt sich, wie der verheerende Einfluss der Pandemie auf die Sexarbeitenden missbraucht werden soll, um härtere Gesetze durchzudrücken. Die Kolleg:innen, die seit Anfang der Pandemie keinerlei finanziellen, brauchbaren Hilfen erhalten haben, illegalisiert eben das Gesetz, das nun verschärft werden soll. Das so erzeugte Elend, auf das die Politik nun seit einem Jahr keine Antwort hat, wird genutzt, um  Sexarbeitende noch weiter an den Rand zu drängen, ihnen das Leben noch mehr zu erschweren. Wieso gewähren Sie ihnen statt immer weiterer Strafen und Repressionen in einem der reichsten Länder der Welt nicht endlich Zugang zu Gesundheitsschutz und Rechten?
Schämt Euch, CDU/CSU!