SISTERS: „Wenn nötig auch vor das Bundesverfassungsgericht“
Was „Rettung“ für die Anti-Sexarbeitsbewegung wirklich bedeutet
Am 4. April veröffentlichte der Verein Sisters e.V. auf seiner Homepage einen Text über seine weiteren Pläne im Rechtsstreit gegen mich und launchte zeitgleich eine Spendenkampagne. „Wenn nötig auch vor das Bundesverfassungsgericht“ wollen sie ihre Einschüchterungsklage gegen mich, eine Sexarbeiter*in, treiben.
Sisters Text ist ein wichtiges Dokument, weil daraus Überzeugungen, Absichten und ein hohes Maß an Eskalationsbereitschaft spricht. Eine ganz ähnliche, noch aggressivere Botschaft übermittelt auch ein weiterer auf Sisters‘ Homepage veröffentlichter Text, in dem es in drastischen Worten unter anderem auch um das Verfahren gegen mich geht. Meinungen, wie meine werden dort als „totalitäre Ideologien“ bezeichnet mit denen „nie die Möglichkeit der Diplomatie“ bestanden hätte.

Screenshot von der SISTERS- Homepage
Bei Sisters ist anscheinend gehörig Druck auf dem Kessel. Kein Wunder. Juristisch läuft es für den spendenfinanzierten Verein seit einem Jahr nicht so toll. Bereits das Eilverfahren auf Unterlassung sowie die im Mai 2023 erstattete Strafanzeige gegen mich blieben erfolglos. Doch was habe ich getan, um diesen Verein so auf die Palme zu bringen?
Die Antwort ist so einfach, wie erstaunlich: Ich habe es gewagt, Sisters und Gruppierungen, wie Sisters, die seit mehr als einem Jahrzehnt in Deutschland für die Einführung eines „Sexkaufverbots“ und damit für eine grundlegende Änderung der rechtlichen Situation von Menschen mit meinem Beruf kämpfen, zu kritisieren. Bei Sisters heißt das „Lügen und Diffamieren“ Was stimmt: Ich stelle Sisters Forderungen und Praktiken, sowie ihre Argumentationsweise in Frage. 2023 tat ich das als Referent*in auf einem Fachtag im Rahmen eines Vortrags mit dem Titel: 6 Jahre Prostituiertenschutzgesetz im Kontext von Diskriminierung, Antifeminismus & Desinformation. Sexarbeitsfeindlichkeit beenden – wann?
In diesem Vortrag sprach ich unter anderem über Antifeminismus. Ich vertrete die Ansicht, dass Sexarbeitsfeindlichkeit, also Feindseligkeit gegen Sexarbeitende – Teil einer antifeministischen Radikalisierungsspirale ist, ebenso wie Feindseligkeit gegen queere oder tina* Personen. Dort erwähnte ich auf einer von 20 Folien auch Sisters und die Zeitschrift EMMA als Akteur*innen, also Beispiele für radikal-feministische, trans-exkludierende und strukturell antisemitische Argumentationsweisen. Unter der Überschrift Talking Points führte ich eine Auswahl wiederkehrender Argumentationsversatzstücke auf (Abb. 1) auf. Diese Folie meiner Präsentation erläuterte ich im Vortrag mündlich: Ich sagte, dass der Begriff „Prostitutionslobby“ für mich eine (strukturell) antisemitisch konnotierte Verschwörungserzählung sei. Zuvor hatte ich erklärt, dass ich mich bei dieser Einordnung explizit auf die Art der Argumentation bezog, nicht auf Personen.
Bevor es weitergeht, ein Einschub: 2023 beschäftigte ich mich seit mehr als 3 Jahren intensiv mit Diskursanalyse, Verschwörungserzählungen und Antifeminismus. Zum Zeitpunkt des Vortrags war ich Stipendiat*in der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft Berlin und arbeitete an meinem im Mai erscheinenden Buch, das sich intensiv mit diesen Fragen beschäftigt. Ja, ich bin Sexarbeiter*in, aber auch politische Bildner*in mit Schwerpunkt Diskriminierung. So wurde ich auf dem Fachtag auch vorgestellt.
Um es abzukürzen: Sisters hat mein Vortrag gar nicht gepasst. Der Verein erstattete noch am gleichen Tag Strafanzeige gegen mich, kurz danach erhielt ich eine Abmahnung und nur wenig später begann das Eilverfahren auf Unterlassung. Es ging Schlag auf Schlag und es schien beinahe so, als hätte man auf eine solche Gelegenheit nur gewartet. Das war ein willkommener Anlass, um maximal zu eskalieren und einzuschüchtern. Dass dieses Potenzial vorhanden war, befürchtete ich bereits zu diesem Zeitpunkt, weil ich die Anti-Sexarbeits-Bewegung schon lange beobachte. Daher war mir gleich klar, dass ich Unterstützung benötigen würde, als Einzelperson war ich allzu „leichte Beute“. Also berichtete ich über den Vorgang auf meinen Social Media Profilen. Anders als für Sisters, ist es für mich als Sexarbeiter*in nämlich schwierig, das Gehör von Medienschaffenden oder zivilgesellschaftlichen Unterstützenden zu erhalten. Das einzige, was ich selbst tun konnte, um meine Perspektive zu schildern, war, über den Angriff zu sprechen. Geleichzeitig kläre ich so über Sisters Vorgehensweise gegenüber Sexarbeitenden auf. Sisters „Solidarität mit uns endet nämlich abrupt, sobald wir Sisters kritisieren. Das wirft Fragen nach der Motivation eines Vereins auf, der sich als uneigennützig und engagiert präsentiert, oder?
Anders gefragt:
Wie verbohrt ist ein Verein, der eine Sexarbeiter*in seit zwei Jahren durch die Instanzen verklagt? Wie verbohrt ist eine Bewegung, der es gar nicht um die richtige Lösung für alle und somit um Perspektivenvielfalt geht, sondern darum, zu „siegen“?

Zwei Gerichte urteilten bisher, meine Kritik sei durch die Meinungsfreiheit gedeckt und keine Schmähkritik und insbesondere keine unwahre Tatsachenbehauptung. Der Verein stellt diese Urteile als „problematisch“, „rechtlich falsch“ und „skandalös“ dar. Der Anwalt von Sisters reichte sogar einen Befangenheitsantrag und eine Dienstaufsichtsbeschwerde ein, als das Kammergericht Berlin im Februar 2024 nicht im Sinne von Sisters urteilte. Im Februar 2025 wies auch das Landgericht Berlin die Klage von Sisters e.V. ab und schloss sich somit dem Urteil des Kammergerichts Berlin am Ende des Eilverfahrens an. Sagt Sisters, sie hätten zunächst „Recht bekommen“, gehört folgende Information dazu: Die für die erste Instanz des Eilverfahrens zuständige Kammer 46 war keine der eigens eingerichteten Pressekammern.
Durch die erneute Niederlage erzürnt, stieß der Verein zwei Medienbeiträge (Welt, Jüdische Allgemeine) über das Verfahren an. Das verdeutlicht, wie ungleich verteilt die Machtverhältnisse in dieser Auseinandersetzung sind. Ich verfüge nicht über solche Kontakte. Über meinen Kritik am Urteil in der Ersten Instanz des Eilverfahren berichtete kein Medium.

Unter folgendem Titel läutet Sisters nun die nächste Stufe der Eskalation ein:
Ist es antisemitisch, die Interessengemeinschaft von Zuhältern als „Lobby“ zu bezeichnen?
Abgesehen davon, dass ich das so nie gesagt habe, und auch nicht ausdrücken würde: Von einer „Interessengemeinschaft von Zuhältern“ sprach der Verein meines Wissens vorher nie – und ich las in den letzten Jahren recherchebedingt viele Texte und Zitate von Sisters. Sisters umgeht so den Begriff „Prostitutionslobby“, behält aber die Argumentation, von Sisters abweichende Meinungen automatisch Zuhältern, Profiteur*innen oder „System Prostitution“ zuzurechnen, bei.
Warum ich das Wort „Prostitutionslobby“ und vergleichbare Begriffe als strukturell antisemitisch konnotierte Verschwörungserzählungen einordne – dafür hat sich bisher weder Sisters, noch die o.g. Zeitungen interessiert. Anscheinend reicht es, diese These als „abstrus“ zu bezeichnen. Folglich kennt nur Sisters „die Wahrheit“, und alle müssen ihrer ziemlich extremen Meinung folgen, sonst gehören sie zur kriminellen Lobby, die „Diplomatie“ endet und das „SLAPP“ beginnt. Meine Einschätzung basiert auf historischen und aktuellen Quellen, der Analyse von Ungleichwertigkeitsvorstellungen und auf der Kenntnis des Forschungsstand unterschiedlicher Disziplinen zum Thema Sexarbeit und Menschenhandel. Mir ist bewusst, dass diese Fragen bisher wenig diskutiert werden. Deswegen mache ich mir die Mühe, darüber aufzuklären. Ich glaube, dass es einen Unterschied macht, zu verstehen, warum Sexarbeitende ausgegrenzt werden und wie diese Ausgrenzung im Verlauf der Geschichte aufrechterhalten blieb.

All das scheint Sisters herzlich egal, der Verein versucht unliebsame Kritik „wegzuklagen“. Neben „Prostitutionslobby“ bedienen Begriffe, wie „Prostitutionsindustrie“ oder „System Prostitution“, in Verbindung mit „milliardenschwer“, „lukrativ“ oder „Profiteure“ dieselbe problematische Argumentation. Sie fallen alle in Sisters Text, und nicht nur dort, sie gehören zum Standard-Repertoire sexarbeitsfeindlicher Akteur*innen.
Diese Argumentation besteht im Grunde nur aus unbewiesenen Vorwürfen und Raunen, Belege für diese milliardenschwere und mächtige Netzwerk, zu denen Sexarbeitende wie ich angeblich gehören bleibt Sisters schuldig. Was verrät also die Sprache über Einstellungen und Überzeugungen von Sisters?
Sisters oder das Magazin EMMA setzen Wortschöpfungen wie „Prostitutionslobby“ gegen Sexarbeitende als Waffe ein. Sie erklären uns damit zu „Profiteuren“, Mittäter*innen und Ausnahmen von einer ausgedachten „Regel-Prostituierten“, die immer „Opfer“ ist und (von ihnen) gerettet werden muss. Dieses Schema verfängt – leider – gut, wie meine Medienanalyse der letzten Jahre belegt. Im Ergebnis führt es dazu, dass Gruppierungen wie Sisters mehr geglaubt wird, als Sexarbeiter*innen. Und genau das ist das Kalkül, denn solche Organisationen haben zum Ziel, ein Umdenken über „Prostitution“ in der Gesellschaft berbeizuführen. Für Sisters sind wir Teil krimineller Machenschaften und undurchsichtiger, gleichwohl machtvoller Netzwerke. Immer wieder unterstellen sie dieser geheimnisvollen „Prostitutionslobby“ große Macht, z.B. bei der Ausgestaltung von Gesetzen. Ist da was dran?
Umgekehrt wird wohl eher ein Schuh draus:
- In wessen Vereinsvorstand sitzt eine Person, die jahrelang ihr Bundestagsmandat nutzte, um Stimmung für die Einführung einer Kund*innenkriminalisierung in Deutschland zu machen?
Antwort: Leni Breimayer, SPD, ist zweite Vorsitzende von Sisters. - Ein weiterer Vorstand einer Anti-Sexarbeits-Organisation hatte ebenfalls bereits ein Mandat im Bundestag, außerdem gab es zahlreiche dieser Bewegung verbundene MdBs und MdLs.
Antwort: Ein Beispiel ist Frank Heinrich, heutiger Vorstand von Gemeinsam gegen Menschenhandel. In Hurenverbänden und Selbstorganisationen gibt es solche Figuren nicht. - Wer sitzt im Europäischen Parlament und vertritt Forderungen wie Sisters?
Antwort: U.a. Maria Noichl oder Mary Honeyball) - Welcher Verein Bewegung hat gute Beziehungen zu Medien wie WELT, und kann dort den eigenen Anwalt lang und breit zitieren lassen? Antwort: Sisters. Autorin des Texts war übrigens die gleiche Journalistin, die auch mit Sisters-Anwalt Jacob bereits über „Lobbies“ im Fall Rona Duwe sprach. Zufall? Eher nicht, denn:
- Wer unterhält Beziehungen zur Initiative Lasst Frauen Sprechen und kreuzt zur Unterstützung von Rona Duwe beim „Transgenderkult“-Verfahren in Köln auf?
Antwort: Sabine Constabel, 1. Vorsitzende von Sisters. Sidefact: Rona Duwe sammelte bereits mehrfach erfolgreich Spenden für anfallende Rechtsstreitigkeiten rund um ihre „genderkritische“ Arbeit. Rona Duwes Anwalt ist: Jonas Jabob, der auch Sisters vertritt.
Duwe kürzlich auf X: Der (Jacob) bringe sich außerordentlich ein – „nicht nur in meiner Vertretung, sondern auch in der Vertretung vieler weiterer Feministinnen und feministischer Vereine und Gruppen.“ Wundert es irgendwen, dass kurz nach Sabines Constabels Besuch bei LFS der Sisters-Fundraiser in „gender- und prostitutionskritischen“ Kreisen emsig geteilt wird? - Welches Mitglied von Sisters sammelte vor einigen Jahren binnen kürzester Zeit über Hunderttausend Euro für „Rechtshilfe“, als es für einen umstrittenen, „genderkritischen“ Vortrag kritisiert wurde, der letztlich abgesagt wurde?
Antwort: Marie – Luise Vollbrecht. - Welcher Verein hat direkten Zugang zu einem Medium?
Antwort: Sisters.
EMMA war übrigens Partei in der Abmahnung, die ich 2023 erhielt. - Welcher Verein kann sich teure und aufwändige Kampagnen leisten und ist bis in den Landesfrauenrat Baden-Württemberg vernetzt?
Antwort: Sisters.
Und das ist nur eine kleine Auswahl.
„Die Wahrheit“
Sisters glauben, dass nur sie selbst, keinesfalls aber Leute wie ich, die seit 14 Jahren Sexarbeit machen, die Wahrheit über „Prostitution“ kennen. Diese „Wahrheit“ hat starke Züge einer moralischen Panik und bedient sich hemmungslos an Schilderungen von Opfern von Menschenhandel – um „Prostitution“ verbieten zu lassen.
Wer Einwände vorbringt, andere Erfahrungen gemacht hat oder schlicht an Ambivalenz und Ambiguität glaubt, den zählt Sisters im Handumdrehen zur „Interessengemeinschaft der Zuhälter“, oder einfacher ausgedrückt: zur „Prostitutionslobby“. Seit zwei Jahren nutzt der Verein das Verfahren gegen mich, um die alteingesessene Beratungsstelle Hydra e.V. anzugreifen, in deren Vereinsvorstand ich seit 2019 bin:
„Ruby Rebelde, Vorstandsmitglied von Hydra (eine Berliner Beratungsstelle, deren Ziel es ist, dass „Sexarbeit als eine Erwerbsarbeit wie jede andere anerkannt wird“ und deshalb folgerichtig auch „Einstiegsberatung“ anbietet) (…)“
„Dass ausgerechnet ein Vorstandsmitglied von Hydra – einer Organisation, die staatliche Gelder erhält und sich für die Normalisierung von Prostitution einsetzt – einen rein ehrenamtlich arbeitenden Verein wie Sisters angreift, ist in unseren Augen perfide. (…) Wer diese Arbeit diffamiert, stellt sich nicht nur gegen uns, sondern gegen die betroffenen Frauen selbst.“
Sisters verschweigt hier (bewusst?), dass ich zu Beginn des Vortrags am 12.5.2023 klarstellte, nicht als Hydra-Vorständ*in zu sprechen, sondern als Politische Bildner*in.
Das fällt unter den Tisch fallen, wie so vieles andere. Noch ein Beispiel: Seit 2023 wiederholt der Verein die folgende Behauptung:
Einige Zuhörerinnen und Zuhörer des Vortrages erinnerten sich, dass Rebelde den Verein selbst als „strukturell antisemitisch“ bezeichnet hatte.
Hat Rebelde nicht. Es wird durch Wiederholungen nicht richtiger, und wurde bereits durch Zeugenaussagen (von denen zwei Zeug*innen von Sisters aufgerufen wurden) widerlegt.
Vereine, wie Sisters, mögen keine Differenzierung. Sie bevorzugen einfache Erzählungen und simple Botschaften, um ihre Ziele zu erreichen. Nicht erst seit 2013 kämpfen weißer Feminismus und Radikalfeminismus Seite an Seite mit (ultra-) konservativen und christlich fundamentalistischen Netzwerken für eine „Welt ohne Prostitution“. Dazu schildern sie „die“ „Prostitution“ in Deutschland als „Teufelskreis“ oder „große Wunde der vielen ausgebeuteten Frauen“. Sie selbst dagegen sind selbstlose Retter*innen, ein „Pflaster“ und „helfen“. Diese „Hilfe“ umfasst seit mehr als einem Jahrzehnt eine beispiellose Kampagne gegen „Prostitution“. Sisters gründete sich 2015 zu diesem Zweck, und griff bereits damals Selbstorganisationen, Beratungsstellen und Sexarbeiter*innen an. Die Kampagne für die „Welt ohne Prostitution“ nimmt bei Sisters von Anfang an eine zentrale Rolle ein.
Und ich?
Ich trete für Entkriminalisierung von Sexarbeiter*innen, gute Arbeitsbedingungen in der Sexarbeit und Menschenrechte für Sexarbeitende ein. Die Abschaffung der „Prostitution“ ebenso wie die Kriminalisierung der Nachfrage halte ich für nicht belegte Kontrollfiktionen, also symbolpolitische, wirkungslose Forderungen. Seit 14 Jahren verdiene ich Geld mit Sexarbeit. Weder gehöre ich zur „Interessengemeinschaft der Zuhälter“ noch zum „System Prostitution“, wie im Text immer wieder anklingt. Dagegen fordere ich Arbeitsrechte für Sexarbeiter*innen. Unter Bordellbetreibenden bin ich eher unbeliebt, weil ich schlechte Arbeitsbedingungen scharf und öffentlich kritisiere, ebenso wie teilweise vorhandene (extrem) rechte Strukturen, z.B. in Form von rechten Rockern. Etwas zu beschönigen, liegt mir fern. Auch aus diesem Grund stelle ich Bündnisse zwischen Bordellbetreibenden und Sexarbeitenden in Frage, weil sich die Interessen beider Gruppen stark unterscheiden. Ich finde: Sexarbeitende kämpfen für ihre Rechte, für Migrationsgerechtigkeit, gegen Ausbeutung und für Grundrechte – und das am besten Seite an Seite mit anderen von Diskriminierung getroffenen Gruppen. Das ist der Kern meiner Arbeit.
Dogwhistles, also Codes für Feindbilder des „gender – und prostitutionskritischen „Feminismus“
Sisters Text wimmelt nur so von Dogwhistles, also Codes für Forderungen, wie Abschaffung des Selbstbestimmungsgesetz, Verächtlichmachung geschlechtersensibler Sprache, Kampf gegen „Wokeness“. Immer wieder scheint durch, dass Leute mit anderer Sichtweise als Sisters , wie der Richter am Kammergericht 2024, befangen sein müssen. Nochmal: Es gibt keine anderen legitimen Meinungen außer der von Sisters.
„Biologisches Geschlecht“, „Akteur*innen“, „Eingeweihte“, das Kammergerichtsurteil erinnere „stark an die Formulierungen auf Rebeldes Homepage“ oder auch„Sexarbeitsfeindlichkeit“ in Anführungsstrichen …
das sind Dogwhistles, die auf andere Brückenthemen (nicht Brückentechnologien, wie Sisters schreibt), verweisen.
Wo wir gerade bei unappetitlichen Netzwerken sind: 2023, ich hatte gerade die erste Instanz vor dem Landgericht Berlin verloren, war die Stimmung in den Sozialen Medien ziemlich feindselig mir gegenüber. Zum Beispiel wurde mein Klarname in der Instagram-Story einer „gender – und prostitutionskritischen“ Autorin zusammen mit den Worten: „Sexarbeit macht frei“ gepostet. Oft wird dort behauptet, ich würde „lügen und diffamieren“. Wie viele das wirklich glauben, weiß ich nicht. Vorverurteilung erscheint oft als leichterer Weg. Fast zwei Jahre nach Beginn des Rechtsstreit fürchte ich heute um meine Sicherheit, wappne mich für zukünftige Störaktionen und scharfe Attacken, online oder offline. Nach solchen Texten von Sisters ist absehbar, dass das wieder zunehmen wird. So in dieser Rede, die ein Mitglied von Sisters am 8. März in Halle hielt und die der Verein auf seine Homepage stellte. Hier zwei kurze Auszüge:
„Unsere Stimme wird uns genommen, indem uns mit Lügen falsche Tatsachen unterstellt werden wie Transfeindlichkeit oder Antisemitismus die dazu dienen uns, aus politischen Räumen und grundsätzlich, aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen – wir schauen zu dem Gerichtsprozess mit Ruby Rebelde.
Die harte Realität ist doch – wir haben alles versucht um unsere Stimme zu behalten, indem wir uns immer und immer wieder gerechtfertigt haben – wir haben uns tausendmal erklärt – wir haben uns den Mund fusselig geredet darüber das es nur zwei Biologische Geschlechter gibt, dass wir nicht transfeindlich sind; darüber das eine Lobby hinter dem System Prostitution ein Fakt ist und dies keine Verschwörungstheorie ist.
(…)
Ich sage es euch nur ungern, aber es gab nie die Möglichkeit der Diplomatie. Es gab nie die Möglichkeit eines Kompromisses. Es gab nie die Möglichkeit eines koexistierenden Meinungspluralismus, mit diesen Menschen, mit dieser Ideologie. Es gibt nicht „ein bisschen“ mehr als zwei Geschlechter. Es gibt nicht „ein bisschen“ Männer im Frauensport. Es gibt nicht „ein bisschen“ Konsens im Sexkauf. Es gibt nicht „ein bisschen“ den guten Freier. (…) Was möchte ich mit dieser Wutrede, mit dieser Brandrede wie man heute so schön sagt vermitteln – es gibt keinen Sinn im Unsinn. Es gibt keinen Kompromiss mit einer Totalitären Ideologie.“
(Hervorhebungen von mir)
Was kommt nach dem Ende der „Diplomatie“? Was kommt als nächstes, Sisters?
Das Selbstbild von Sisters und mein Bild von Sisters
Zum Schluss noch zum Selbstbild solcher Organisationen, das leider bislang bereitwillig von den meisten Medienschaffenden und Politiker*innen übernommen, statt in Frage gestellt wird. Sisters beschreibt ihre Tätigkeiten so: Ausstiegshilfe, Aufklärung und politische Arbeit für das „Nordische Modell“. Wann hinterfragen Menschen Organisationen wie Sisters und ihre Argumentation auf Plausibilität, Fakten und Umsetzbarkeit? Auch sie sollten sich Kritik stellen müssen, statt einen Retter*innen-Freifahrtsschein ausgestellt zu bekommen.
Eins ist klar: Sisters und ich beurteilen die Realität sexarbeitender Menschen in Deutschland sehr unterschiedlich. Jenseits dieses Meinungsspektrum erlebe ich seit Jahren, wie Sisters, DIAKA oder der EMMA mehr geglaubt wird, als Betroffenen. Ihre Erzählung passt gut zu dem, was die Gesellschaft über Sexarbeitende NICHT weiß, aber zu wissen glaubt. Aber Glauben ist nicht dasselbe wie Erfahrung oder Wissen. Ich habe erlebt, dass Anti-Sexarbeits-Organisationen ihre Netzwerke und Beziehungen nutzen um Plätze in Anhörungen oder Redezeit/Airtime in den Medien zu erhalten, ohne dort kritisch hinterfragt zu werden. Ich war live dabei, wenn Geschichten (unerheblich, ob wahr, oder nicht) instrumentalisiert wurden, um nur noch eine Sichtweise auf komplexe Themen wie Sexarbeit und Menschenhandel zuzulassen. Diese Geschichten sind darauf ausgelegt, zu verfangen, wahr sein müssen sie nicht.
Wie die Geschichte der Sexarbeiter*in, die auszog, Sisters zu „canceln“…
Sexarbeiter*innen, die sich bereits am Rand der Gesellschaft befinden, Diskriminierung und Ausschluss erfahren, müssen sich nicht nur gegen Stigma wehren. Wir müssen uns auch gegen selbsternannte Retter*innen verteidigen. Der Rechtsstreit gegen mich 2023 markiert einen neuen Meilenstein, wie gewaltvoll diese „Rettung“ und dieser „Schutz“ für Betroffene sein kann: Bist Du nicht unserer Meinung, dann zerren wir Dich vor Gericht UND inszenieren uns gleichzeitig als Opfer von Diffamierung und Lügen. Abweichende Meinungen erklären wir zu „totalitären Ideologien“, oder um mit Sisters zu sprechen: „Wer diese (Sisters) Arbeit diffamiert, stellt sich nicht nur gegen uns, sondern gegen die betroffenen Frauen selbst.“
Nein, ich stelle mich nicht gegen Betroffene von Menschenhandel. Jede Person muss entscheiden dürfen, ob Sexarbeit für sie in Frage kommt oder nicht. Menschenhandel ist ein Verbrechen. Aber: „Prostitution“ verbieten – das ist kein Mittel gegen Armut, patriarchale Gewalt oder Ausbeutung. Sisters Forderungen sind eine Scheinlösung, lenken von den eigentlichen Aufgaben ab und machen Sexarbeitende zum Spielball autoritärer Ordnungspolitik, wie in Schweden seit 25 Jahren.
Zum Schluss
In den vergangen zwei Jahren musste ich lernen, nicht allzu viele Gefühle bei diesem Rechtsstreit zuzulassen. Doch Sisters neue Eskalation macht mir … Angst.
Ich habe diesen Rechtsstreit nicht begonnen, und muss trotzdem abwägen, welche Konsequenzen mein Einknicken in Zeiten eines massiven Rechtsrutsches für meine Kolleg*innen hätte. Oder für die tina* – Community, die ebenso wie Sexarbeiter*innen ein Hassobjekt selbsternannter Frauenrechtler*innen ist. Leute sagen mir: „Lass Dich nicht einschüchtern.“ Und doch schüchtert es mich ein. Ich habe Existenzängste, kämpfe mit einer chronischen Erkrankung und einer nicht-sichtbaren Behinderung. Ich habe Angst, mich durch dieses Verfahren zu verschulden. Ich bin keine Großverdiener*in. Ich hoffe, mir geht die Kraft nicht aus.
In den letzten zwei Jahren habe ich schmerzhaft erfahren: Menschen wie ich werden jenseits eines kleinen Kreises kaum solidarisch unterstützt. Das Thema Sexarbeit meiden viele. Die Radikalisierung von Weißen Feminist*innen oder Radikalfeminist*innen wird oft verharmlost, ihre besorgniserregenden Netzwerke z.B. mit Ultra-Konservativen oder Christlichen Fundamentalist*innen ignoriert.
Wenn Ihr könnt spendet bitte, damit ich mich weiter gegen diese Angriffe wehren kann.
https://www.goodcrowd.org/verklagt-und-gedoxxt-von-sexarbeitsfeindinnen
Oder über den Rechtshilfe-Fond bei Hydra e.V., Verwendungszwech:
Rechtsstreit Ruby:
Hydra e.V.
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Verwendungszweck: Rechtsstreit Ruby



